Erst kommen die Tänzer, die sich vor dem Altar biegen und strecken, langsam aufrichten und in großen Sprüngen wieder voneinander entfernen. Ihre Bewegungen verbinden Elemente des klassischen Balletts mit Afrotanz, Akrobatik und Figuren des japanischen Butoh. Dann setzt der Trommler ein, gefolgt von Klavier, Kontrabass und Marimba: „River of life“ heisst die Performance im Kleinen Michel, die das Grundprinzip des Lebens aufgreift, so wie es die Regisseurin versteht – alles fließt, alles ist beseelt, alles ist mit allem verbunden. Im Mittelpunkt des Abends steht ein Lied, das um die Welt ging: „Amazing Grace“ singt Natasha Gweneth-Thomas , hoch oben auf einer Leiter stehend. Ihre Stimme steigt mühelos hinauf, füllt das Kirchenschiff ganz ohne Mikrophon.
In der ersten Reihe sitzt weisshaarig der Mann, dem die Performance gewidmet ist. Albert Christoph Reck, der Maler, dessen Bilder mit dem groben Strich an die Kunst der Art Brut erinnern. Im Altarraum sind zahlreiche seiner farbstarken Arbeiten ausgestellt, die in eigenwilliger Art auf christliche Motive verweisen – ein Engel ist darunter, Adam und Eva, aber eben auch jener Mann im Strom, der in einem engen Flussbett unaufhaltsam vorangetrieben wird. Zum Schluss steht die ganze Familie auf der Bühne, der Maler und Weltreisende Reck, seine Tochter, die Künstlerin Genoveva Reck-Thomas, deren Töchter Anuschka und Natasha, Sohn Noel, der eben noch mit den akrobatischen Sprüngen des brasilianischen Kampftanzes Capoeira über die Bühne wirbelte– ganz zum Schluss kommt auch noch die Mutter dazu. Unausgesprochen steht Ubuntu (?), das afrikanische Wort für Verbundenheit über dem Abend. Alles ist mit allem vernetzt: Die Künste der verschiedenen Kontinente, die Menschen und auch deren spirituelles Erbe. Die Familie Reck lebte über Jahrzehnte in Südafrika und Swazi-Land, rief dort Webereien und Sommer-Schulen ins Leben. Nun soll eine Stiftung entstehen, die die Bilder des Malers verwaltet und Geld sammelt, um weiterhin Brücken zwischen den Menschen und den Kulturen zu schlagen. Weitere Sommerschulen in Afrika sind geplant, ausserdem sollen afrikanische Künstler eingeladen werden, ihr Schaffen in Deutschland und Polen zu zeigen. In Polen, dem früheren Oberschlesien, wurde Albert Christoph Reck vor 92 Jahren in Krapitz geboren. Mit dem internationalen Künstleraustausch soll sich der Kreis nun schließen.
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